Wissen
Formen sexualisierter Gewalt
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Formen sexualisierter Gewalt
kurz erklärt
Hinweis: Im Folgenden wirst Du/werden Sie mit Inhalten konfrontiert, die belastend sein können.
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Was ist sexualisierte Gewalt?
Sexualisierte Gewalt sind alle sexuellen Handlungen, die
• gegen den Willen einer Person
• ohne die Zustimmung einer Person
• aggressiv, ausbeuterisch oder verletzendausgeübt werden.
(Definition von Monika Egli-Alge)
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Was ist sexualisierte Gewalt?
Sexualisierte Gewalt setzt immer ein Machtgefälle voraus
• durch die Abhängigkeit der betroffenen Person von dem/der Täter:in
• durch den Altersunterschied zwischen der betroffenen Person und dem/der Täter:in
• durch körperliche Unterlegenheit
• durch geistige Unterlegenheit
• oder durch andere Faktoren
(Definition von Monika Egli-Alge)
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Was ist sexualisierte Gewalt?
• Täter:innen nutzen Sexualität, um betroffene Personen zu demütigen oder zu unterwerfen
• Sexualisierte Gewalt ist keine Form von Sexualität, sondern Gewalt
• Es geht um Aggression, Kontrolle und Macht
• Die körperlische und seelische Unversehrtheit der betroffenen Person wird verletzt
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Es gibt verschiedene Formen sexualisierter Gewalt
• Grenzverletzungen
• Sexuelle Übergriffe
• Strafrechtliche relevante Taten
Dabei geht es nicht immer um ungewollte Berührungen - auch ohne Körperkontakt können Grenzen überschritten werden.
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Es gibt verschiedene Formen sexualisierter Gewalt
Hier sind ein paar Beispiele, die zeigen, wie unterschiedlich sexualisierte Gewalt aussehen kann:
• Sexistische Schimpfwörter, Kommentare und Witze
• Aufdringliche Anmache
• Unerwünschte Berührungen und unangemessene Hilfestellungen
• Aufgezwungene Küsse
• Ungewollte/erzwungene sexuelle Handlungen bis hin zur Vergewaltigung
• Sexuelle Handlungen mit bzw. an Kindern
• Überredung/Zwang zur Betrachtung nackter Körperteile o. sexueller Handlungen
• Überredung/Zwang zum Berühren nackter Körperteile
• Androhung von Nachteilen bei sexueller Verweigerung
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Grenzverletzungen
• Grenzverletzungen geschehen meist unbeabsichtigt und zufällig
• Grenzverletzungen können deshalb im Alltag leicht passieren
• Wichtig ist, ob die Person einsieht, dass sie etwas falsch gemacht hat, wie sie damit umgeht und ob sie sich entschuldigt
• Täter:innen können Grenzverletzungen aber auch gezielt nutzen und sie als Zufall tarnen, um sich langsam der betroffenen Person zu nähern und zu testen, wie sie auf Grenzverletzungen reagiert
Beispiel: Eine Lehrkraft berührt bei einer Hilfestellung im Sportunterricht ausversehen die Brust einer Schülerin
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Sexuelle Übergriffe
• Sexuelle Übergriffe gehen immer bewusst von Täter:innen aus
• Häufig nutzen Täter:innen das Vertrauen der Betroffenen aus
• Täter:innen setzen ihren Willen dabei gegen den (stummen) Widerstand der anderen Person durch
• Es gibt Situationen die mit einvernehmlichen sexuellen Handlungen beginnen, aber dann kippen, weil es einer beteiligten Person zu weit oder zu schnell geht - dies kann durch deutliche Signale wie Nein-Sagen oder durch Körpersprache, Weinen, Wegschieben oder Ähnliches gezeigt werden
• Bei sexuellen Übergriffen ignorieren Täter:innen diese Zeichen und machen trotzdem weiter, was ihnen gefällt
Beispiel: Ein Trainer macht beim Sport eine unangemessene Bemerkung über die Oberweite einer Teilnehmerin.
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Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt
• Das sind alle Handlungen, die in Deutschland per Gesetz bestraft werden können
• Die Taten stehen im Strafgesetzbuch in den Paragraphen 174-184
Beispiele:
• Heimlich unter den Rock einer Person fotografieren (Upskirting)
• Das Versenden von Nacktbildern ohne Zustimmung der abgebildeten Person
• Vergewaltigung
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Gut zu wissen...
• Auch vermeintliche Kleinigkeiten, wie anzügliche Blicke und sexuell belästigende Kommentare sind Formen sexualisierter Gewalt
• Täter:innen versuchen oft, Betroffene durch Aussagen wie „Stell dich nicht so an, es war doch nur ein Kompliment“ oder "Du wolltest es doch auch" zu verunsichern
• Doch die Entscheidung darüber, ob die eigenen Grenzen überschritten wurden, liegt immer bei den Betroffenen
• Wenn etwas für Dich unangenehm ist und Du Dich unwohl oder belästigt fühlst, mache das deutlich
• Es ist Dein Körper und Du allein weißt, was sich für Dich gut anfühlt und was nicht
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Was schützt?
Einige Dinge erschweren Täter:innen übergriffiges Verhalten. Es folgen ein paar Beispiele:
• Grenzen setzen (Selbstbehauptung)
• Wissen über Täter:innenstrategien hilft, Grenzüberschreitungen und Co. frühzeitig zu erkennen
• Ein aufmerksames Umfeld, in dem Grenzverletzungen und Co. offen angesprochen und abgelehnt werden
• Feste Bezugspersonen/Freund:innen, denen man sich anvertrauen kann
• Entwicklungsentsprechende Sexualaufklärung
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Was hilft?
Einige Dinge können helfen, mit unangenehmen oder belastenden Situationen besser umzugehen. Hier haben wir ein paar Beispiele gesammelt. Mehr Ideen findest Du in unserem Selbstfürsorge-Bereich.
• Humor kann dabei helfen, schwierige Zeiten und Krisen durchzustehen
• Kreativität, Sport und andere Beschäftigungen können dabei helfen, unsere Gefühle zu verarbeiten, Gedankenkreisläufe zu stoppen und uns zu stärken
• Enge Vertrauenspersonen und Freund:innen, die ein offenes Ohr haben und für uns da sind, wenn es uns nicht gut geht
• Beschwerdemöglichkeiten
• Ein Notfallkoffer für akute Krisen
Fallbeispiele
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Belästigung am Arbeitsplatz
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Anhand dieses Fallbeispiels soll kurz das Gleichbehandlungsgesetz vorgestellt werden und welche Möglichkeiten betroffene Frauen haben.
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Vor Kurzem hat Frau M. ihre neue Arbeitsstelle angetreten. Die 38-jährige hatte sich auf die neue Herausforderung gefreut, doch das änderte sich bald.
Sie sieht sich anzüglichen Bemerkungen bis hin zu Betatschereien ausgesetzt.
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Frau M. holte sich im Kollegenkreis Unterstützung. Dabei erfuhr sie, dass bereits zwei Kolleginnen von ihr vergeblich versucht hatten, sich gegen die Belästigungen
zur Wehr zu setzen. Beide Frauen erhielten keine Unterstützung und haben das Unternehmen verlassen.
Frau M. wandte sich an den Abteilungsleiter, der ihr den Rat gab, sie solle nicht hinhören und ausweichen.
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Frau M. war nicht gewillt, die sexuellen Belästigungen weiterhin hinzunehmen. Sie entscheidet sich deshalb für eine externe Beratung durch eine Fachperson. Dort konnte sie ihre Situation anonym darlegen, ohne dass eine Lawine ins Rollen kam. Sie erhielt wichtige Informationen über Gegenmaßnahmen.
Zum Beispiel über
das Gleichstellungsgesetz ➜
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Gleichstellungsgesetz (AGG)
Das AGG erfasst sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
als eine Form der Diskriminierung (Art.4 AGG)
Das Gesetz richtet sich an die Arbeitgeberseite.
Sie ist verpflichtet, Arbeitsbedingungen zu schaffen und Maßnahmen
zu ergreifen, die sexuelle Belästigung verhindern oder beseitigen.
Im Fall von Frau M. wurde im Betrieb das AGG verletzt.
Kann das Unternehmen nicht nachweisen, dass alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen gesetzt worden sind,
kann Frau M. eine finanzielle Entschädigung verlangen.
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Wie kann Frau M. vorgehen?
Als erster Schritt ist es wichtig, im Betrieb schriftlich eine Beschwerde einzureichen. Es muss verlangt werden, dass der Belästiger angewiesen wird, die Übergriffe sofort einzustellen. Ab diesem Zeitpunkt gilt für die Arbeitnehmerin der Kündigungsschutz nach dem AGG. Sollte die Beschwerde nicht ernst genommen werden, kann zuerst die zuständige Schlichtungsstelle und in der Folge das Gericht angerufen werden.
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Vor Gericht zu ziehen ist natürlich ein schwerer Schritt und will gut überlegt werden. Zuerst ist es wichtig, handlungsfähig zu werden.
Dabei hilft es, dass die Informationen, die gerade benötigt werden, auch vorhanden sind. Das gibt Sicherheit und Ruhe.
Auch hier helfen die Beratungsstellen vor Ort. Keiner muss eine solche Situation allein überstehen.
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Belästigung im Sportverein
Hier möchten wir erklären, wie wichtig Schutzkonzepte sind und was sie beinhalten sollten.
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Marius hat ein tolles Hobby, das ihm sehr viel Spass macht, wo er nette Menschen trifft und er auch schon viele Erfolge feiern konnte: Er ist aktiv im Schwimmverein und durch seine Leistungen schon in der Jugend-mannschaft seines Bezirks angelangt.
Aber er wird immer stiller und in sich gekehrter. Sein Trainer fasst ihn in der Umkleidekabine immer wieder an Stellen an, die ihm sehr unangenehm sind.
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Der Trainer hat ihn sehr deutlich bedroht, er solle nichts sagen, es wäre ihr Geheimnis. Trotzdem erzählt Marius seinen Eltern, was passiert ist. Die Eltern glauben ihm nicht, denn der Trainer ist doch so ein netter Mensch.
Marius gibt nicht auf und spricht mit seiner Vertrauenslehrerin. Die nimmt ihn ernst, weil sie schon vorher ähnliche Erzählungen von anderen Kindern gehört hat. Sie geht zusammen mit Marius zu den Eltern. Nun unterstützen die Eltern Marius gemeinsam mit der Lehrerin.
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Marius war sehr mutig, nicht aufzugeben und sich Hilfe zu holen. Jeder Sportverein ist dazu angehalten, für solche Fälle wie bei Marius Hilfe anzubieten und auch darauf zu achten, dass es keine Möglichkeiten für solche Taten gibt.
Zum Beispiel
Schutzkonzepte zu erarbeiten ➜
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Schutzkonzept
Dazu gehören:
● Leitbild
● Verhaltenskodex und Selbstverpflichtungserklärung
● Fortbildungen
● Personalverantwortung
● Partizipation von Kindern und Jugendlichen
● Präventionsangebote
● Beschwerdeverfahren
● Notfallplan
● Kooperation mit Fachleuten
(Quelle: UBSKM, Schutzkonzepte: Kein Raum für Missbrauch: beauftragte-missbrauch.de)
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Wie kann es weitergehen?
Als erster Schritt ist es wichtig, zu überlegen, was für Marius wichtig ist. Er hat ein Recht auf Unversehrtheit und Schutz.
Er möchte aber auch weiter schwimmen.Der Trainer hat sich strafbar gemacht, weil er Schutzbefohlenen Gewalt angetan hat. Die Verantwortlichen des Schwimmvereins müssen ihn sofort aus dem Dienst entlassen und anzeigen.
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Vor Gericht als Zeuge auszusagen ist natürlich ein schwerer Schritt und muss gut vorbereitet werden.
Marius braucht das nicht allein durchzustehen. Auch hier helfen die Beratungsstellen vor Ort, z. B. mit der Vermittlung von Psychosozialer Prozessbegleitung.
(Informationen gibt es unter: Psychosoziale Prozessbegleitung)
Das gibt Sicherheit und Ruhe.
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Belästigung in der Freizeit
Wir alle sind aufgerufen, aufeinander aufzupassen und Aussagen ernst zu nehmen.
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Lisa geht gerne zu Festivals. Ihr gefällt es, mit vielen Menschen zusammen zu feiern und die laute Musik ist genau ihr Ding.
Was sie nicht mag, ist, dass sie ständig von fremden Menschen angefasst wird. Manchmal auch da, wo sie nicht berührt werden möchte. Sie hat keine Lust mehr, auszugehen, weil sie sich schlecht fühlt.
Und dann passiert noch etwas ganz schlimmes, weil ein junger Mann sie verfolgt, als sie auf die Toilette geht. Sie kann sich nicht wehren und ist verzweifelt.
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Sie wird immer ruhiger und geht nicht mehr mit den Freundinnen weg. Immer hat sie neue Ausreden, warum sie nicht mitgehen kann.
Ihre beste Freundin merkt, dass etwas nicht stimmt. Sie fragt vorsichtig nach. Lisa fängt an zu weinen. Die Freundin nimmt sie in den Arm und dann erzählt Lisa, was ihr passiert ist. Zuerst ist die Freundin geschockt und weiss nicht, was sie sagen soll. Der Typ war doch ganz nett gewesen.
Dann wird sie wütend und will unbedingt etwas unternehmen.
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Die Freundin hat sich sehr gut verhalten. Sie hat Lisa geglaubt und möchte nun eine Lösung finden. Lisa und sie überlegen gemeinsam, wie es für Lisa wieder besser werden kann und wie es mit dem jungen Mann weitergehen soll.
Zum Beispiel
eine Beratungsstelle aufsuchen ➜
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Beratungsstelle
In einer Beratungsstelle für sexueller Gewalt an Mädchen und Frauen könne Sie sich informieren über folgende Themen:
● Stabilisierung durch Gespräche und Beratung
● Informationen zu Hilfe- und Unterstützungsangeboten
● Anzeigen bei der Polizei – wie läuft das ab?
● Hilfe zur Selbsthilfe
● Prozessvorbereitung und Prozessbegleitung
● Selbsthilfegruppen
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Wie kann es weitergehen?
Zuerst überlegen Lisa und ihre Freundin, was Lisa im Moment am meisten braucht. Lisa möchte gerne den jungen Mann anzeigen. Dazu muss sie Beweise sammeln und ihre Aussage bei der Polizei machen.
Dann folgt eine lange Zeit des Wartens, denn so ein Verfahren dauert lange.
Und dann kann es sein, dass der junge Mann frei gesprochen wird aus Mangel an Beweisen. Das passiert oft und darauf muss Lisa gefasst sein.
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Wenn der Täter freigesprochen wird, dann wird es schwer für Lisa. Sie hat Angst, ihm nochmal zu begegnen.
Gemeinsam mit ihren Freundinnen überlegt Lisa, doch wieder auf Festivals zu gehen. Aber sie bleibt niemals allein, alle Freundinnen passen auf sie auf. Wenn der Täter in der Nähe sein sollte, dann verlassen alle sofort gemeinsam den Ort.
Damit Lisa sich sicher fühlt, verabreden sie ein Zeichen, wenn es ihr zuviel wird und sie gehen möchte.
Das gibt Sicherheit und Ruhe.
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